„Die Gestaltung des familiengerichtlichen Verfahrens hat maßgeblichen Einfluss auf die Verwirklichung bzw. den Schutz der verschiedenen Grundrechtspositionen, die im Kindschaftsrecht etwa bei den notwendigen Verfahren zum Kinderschutz oder im Bereich der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts berührt werden. Dies ist dem Gesetzgeber sehr bewusst, wie sich in den vielfältigen Bemühungen zur Verbesserung der Vorschriften im hier maßgeblichen FamFG zeigt. Zuletzt hat er u.a. die Vorschriften betreffend die Interessenvertretung von Kindern im familiengerichtlichen Verfahren reformiert. Eingeführt wurde mit § 158a FamFG eine Norm, welche die vom Gesetzgeber für erforderlich erachtete fachliche und persönliche Eignung des Verfahrensbeistandes festlegt. Die Neuregelung zur fachlichen Eignung stellt für die Verfahrensbeistände zu Recht hohe Hürden auf, denn die erforderlichen und näher spezifizierten juristischen und außerjuristischen Kenntnisse sind auf Verlangen des Gerichts nachzuweisen. Die Praxis wird offenbaren, wie sich diese Norm auf die Qualität der Interessenvertretungen auswirken wird. Jedenfalls sollte etwa die Berufsqualifikation sowie eine spezifische Zusatzqualifikation für die anderen Verfahrensbeteiligten transparent gemacht werden, sei es durch den Verfahrensbeistand selbst, sei es durch das Gericht. Entsprechen diese nicht den Anforderungen des Gesetzgebers an den erleichterten Nachweis der fachlichen Eignung, dürfte für das Gericht ein erhöhter und aktenkundig zu machender Prüfungsaufwand bestehen, ob diese besteht. Der Hinweis, dass ein Verfahrensbeistand bereits langjährig bzw. aus einer Vielzahl von Vorverfahren bekannt sei, dürfte dem nicht genügen. Dies ist auch den Gesetzesmaterialien explizit zu entnehmen. Die persönliche Eignung soll u.a. Gewähr dafür bieten, dass das Amt „unabhängig“ wahrgenommen wird. Problematisch ist insoweit, dass die Auswahl des Verfahrensbeistandes durch den Familienrichter erfolgt, der sodann auch das Verfahren führt. Das heißt, der wirklich unabhängige Verfahrensbeistand muss sich von dem Gedanken lösen, dass sein Agieren im Verfahren, sei es auch fachlich geboten, dazu führen könnte, dass seine Bestellung in künftigen Verfahren nicht mehr erfolgt. Denn diese dürfe nicht nach sich ziehen, dass etwa angezeigte Befangenheitsgesuche, Verzögerungsrügen oder Rechtsmittel unterbleiben. Unzweifelhaft kann im Rechtsstaat unterstellt werden, dass unabhängige Richter solche sachfremden Erwägungen nicht anstellen werden, aber reicht diese Annahme aus, den Verfahrensbeistand auch wirklich unabhängig agieren zu lassen, wenn auch er – wie jeder selbstständig Berufstätige – wirtschaftlichen Zwängen unterliegt? Vieles spricht hier dafür, die Entscheidung über die Auswahl der Person des Verfahrensbeistandes einem anderen Familienrichter zu überlassen als demjenigen, der für das betreffende kindschaftsrechtliche Verfahren zuständig ist. Damit würde auch dem Umstand Rechnung getragen, dass rechtstatsächliche Untersuchungen eine zu große (persönliche) Nähe zwischen Richtern und Ver-fahrensbeiständen beanstanden und voraussichtlich noch besser gewährleistet, dass in der Bestellungspraxis ein größerer Personenkreis berücksichtigt wird als bislang.
Freilich ist die nun geforderte Qualität der Verfahrensbeistände nicht umsonst zu haben. Um geeignete und hoch qualifizierte Verfahrensbeistände zu gewinnen, ist daher die Anhebung der Vergütungspauschalen dringend geboten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass eine solche – anders als in anderen Berufsgruppen – seit dem Jahre 2009 nicht erfolgt ist, die Verfahrensbeistände Fort- und Weiterbildungen auf eigene Kosten wahrzunehmen haben und nach dem Gesetz die entstandenen Aufwendungen mit der Pauschale abgegolten sind.“
„häusliche Gewalt, insbesondere diejenige in Paarbeziehungen und (unmittelbar) gegen Kinder ist ein massives Problem. Dies zu erkennen bedurfte es eines grundlegenden Wandels in der gesellschaftlichen Anschauung, nachdem in früheren Jahrhunderten etwa die körperliche Züchtigung noch als legitime Machtausübung gegolten hat. Ein wichtiger Schritt wurde im Jahre2011 mit der Ausarbeitung der sogenannten Istanbul-Konvention vollzogen, ein Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. Inzwischen ist diese Konvention– mit erheblichen Verzögerungen – auch in der deutschen Rechtspraxis angekommen. Sicher ist insoweit zu berücksichtigen, dass der Bundestag erst durch Gesetz vom 17. Juli 2017 mit Zustimmung des Bundesrates dieses Übereinkommen für die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert hat. Gleichwohl erlebt man in Kindschaftssachen auch heute noch den Vortrag von gewalttätigen Elternteilen, die Gewalt sei – wenn überhaupt – „nur“ gegen den anderen Elternteil und nicht gegen das Kind ausgeübt worden. Auch wenn dieses anwesend gewesen sei, könne ein solches Geschehen doch keine Auswirkungen auf eine familiengerichtliche Entscheidung zur elterlichen Sorge oder zum Umgang mit dem Kind haben. Teilweise wird die Kindeswohlrelevanz miterlebter häuslicher Gewalt auch von Familiengerichten noch immer unterschätzt.
Besonders hervorzuheben ist daher Art. 31 der Istanbul-Konvention, nach dem sichergestellt werden soll, dass „gewalttätige Vorfälle bei Entscheidungen über das Besuchs- und Sorgerecht betreffend Kinder berücksichtigt werden“ und deren Ausübung „nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers und der Kinder gefährdet“. Dass auch das Miterleben häuslicher Gewalt Kinder zu Opfern macht, anerkennt die Präämbel der Konvention ausdrücklich. Bestätigt wird hierdurch die gesicherte Erkenntnis, dass miterlebte häusliche Gewalt eine spezielle Form der Kindesmisshandlung darstellt und die betroffenen Kinder in ihrer Entwicklung gehemmt und in ihrem Bindungsaufbau gestört werden bzw. sogar
traumatisiert werden können. Sie sind der Gefahr erheblicher künftiger physischer und psychischer Schäden ausgesetzt. Es ist vor diesem Hintergrund sehr positiv, dass sich nun immer mehr veröffentlichte gerichtliche Entscheidungen finden, welche der (miterlebten) häuslichen Gewalt – teilweise unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Istanbul-Konvention in den unterschiedlichsten Fallkonstellationen maßgebliche Bedeutung zumessen. Dies gilt sowohl bei Entscheidungen über das Umgangsrecht bis hin zum Umgangsausschluss als auch bei Entscheidungen über die elterliche Sorge, etwa im Kinderschutz oder als Begründung für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Insoweit kann die Lektüre der kostenlos von der Internetseite des Bundesfamilienministeriums herunterzuladenden Broschüre zu „Kindschaftssachen und häusliche Gewalt“ dringend empfohlen werden, die sicher auch zur Sensibilisierung beigetragen hat. Es ist zu hoffen, dass dieser Trend anhält, die mannigfaltig negativen Aspekte häuslicher Gewalt nicht zuletzt im Kindschaftsrecht die gebotene Beachtung finden und die erforderlichen Konsequenzen zum Schutz der Betroffenen gezogen werden.“
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